Orte auf der Route:
LÖTZENER TOR
CARNOT MAUER
REDUITE DER FESTUNG
RASTENBURGERTOR
ARTILLERIE-SPERRFORT
WASSERTOR
PULVERTOR
ST. BRUNO HÜGEL
LÖTZENER TOR
Infolge der napoleonischen Feldzüge und in Erwartung eines möglichen Zusammenstoßes mit dem kaiserlichen Nachbarn Russland erkannte der preußische Generalstab die Bedeutung der Linie der Großen Masurischen Seen als natürliche Barriere gegen einen Angriff aus dem Osten. Damit diese Barriere ihre volle Wirkung entfalten konnte, wurde beschlossen, die Landenge zwischen den Großen Seen in der Gegend von Lötzen, die fremde Heere westwärts durchbrechen könnten, an ihrer breitesten Stelle zu befestigen.
Der größte Befürworter des Baus einer Festung auf der Lötzener Insel war Feldmarschall Hermann von Boyen (1771 – 1848), in den Jahren 1814 – 19 und 1841 – 47 Kriegsminister des Königreichs Preußen.
Im Jahr 1844 legte Minister von Boyen feierlich den Grundstein der Festung, die bald darauf seinen Namen erhielt – Feste Boyen.
Die Generäle Ernst von Aster, Karl von Grolman und Johann von Brese-Winiary, die auch die Befestigungen von Königsberg ausbauten, arbeiteten an dem Bauvorhaben eines großen Artillerie-Sperrforts. Bis 1856 wurde eine Feste mit sechs Bastionen errichtet, die mit ihren Batterien den schmalen Landstreifen zwischen den Löwentin- und Kissain-Seen beherrschte. Etwa zur gleichen Zeit (1845 – 1849) wurden die Kanäle, die das Gebiet der Lötzener Insel isolierten, vertieft und reguliert.
Das Lötzener Tor war ein repräsentativer Eingang zur Feste Boyen.
Das Bauwerk besteht aus zwei Teilen. In der oben mit einem Festungsgitter bewehrten Gegengewichtsaufschüttung, befindet sich eine bogenförmige Ziegelsteinpoterne mit einem Wachtlokal, deren Krümmung einen direkten Beschuss verhindert-, und zum Hauptportal führt, das sich in der Aufschüttung des Festungswalls befindet.
Zwischen der Gegenwallpoterne und dem Tor selbst schiebt sich eine Kaponnieren in Form eines länglichen U vor, die zum Flankenbeschuss entlang Mauer und Graben dient und gleichzeitig den Zugang zum Haupttor der Festung wirksam deckt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Decke dieser Kaponniere mit einem Betonmantel verstärkt, und in der Zwischenkriegszeit des zwanzigsten Jahrhunderts wurde daran ein Gestänge zur Fixierung eines Tarnnetzes angebracht.
Der Zugang zum Hauptportal wurde durch eine kleine Zugbrücke erschwert, hinter der sich ein kleiner Innenhof mit einem Zugang zur Kaponniere und der so genannte Wachtweg entlang der Innenseite der Mauern befinden. Der Hauptpoterne des Lötzener Tors ist auf beiden Seiten durch schwere Holztore gesichert. In ihrem Gewölbe befindet sich ein Schlussstein aus Granit mit dem Datum der Fertigstellung des Gebäudes – 1848.
Das Lötzener Tor führt in den Hof der Bastion „Schwert”, deren Hauptgebäude eine geräumige, dreistöckige Kaserne ist.
Auf der Hofseite, die ebenfalls eine repräsentative Funktion hat, wurde das Lötzener Tor mit dekorativen Elementen in Form von Zinnen, Seitentürmchen und imitierten Machicoulis versehen. An der Innenseite des Tores befindet sich ein Medaillon mit der Büste des Feldmarschalls von Boyen.
Fotografien©W.M.Darski
CARNOT MAUER
Zwischen 1844 und 1854 wurden auf der höchsten Erhebung der Lötzener Insel auf einer Fläche von etwa 100 ha Erd- und Maurerarbeiten durchgeführt. Dies war die größte Investition in der gesamten Geschichte der Stadt – über 3,5 Mio. m3 Erde und etwa 101.000 m3 Steine wurden bewegt. Nach der Errichtung der Festungswälle wurden sechs Bastionen angelegt, die nach den Vornamen und dem Wahlspruch der Familie des Feldmarschalls von Boyen benannt wurden – „Ludwig”, „Leopold”, „Hermann”, sowie „Licht”, „Schwert” und „Recht”, dazu Kaponnieren, vier Festungstore – das Lötzener, Rastenburger-, Pulver- und Wasser Tor , drei Kasernen, ein Schießpulverlabor, zwei Getreidespeicher, eine Bäckerei sowie Wirtschafts- und Werkstattgebäude auf dem Festungshof.
Im Jahr 1855 wurde die Ummauerung der Festung mit der so genannten Carnot-Mauer abgeschlossen, die das Festungsgelände auf einer Gesamtlänge von etwa 2,3 km umschloss. Eine solche Mauer geht auf eine Überlegung des französischen Generals, Politikers, Mathematikers und Geometers Lazare Nicolas Marguerite Carnot (1753 – 1823) zurück und wurde erstmals 1772 realisiert. Der Grundgedanke hinter der Carnot-Mauer verlangte, an der Böschung oder am Fuß des Festungswalls vor dem so genannten trockenen Graben und dem Gegenwall ein hohes Ziegelhindernis zu errichten. Um den Festungsgraben und den Gegenwall beschießen zu können, wurde die Mauer mit Schießscharten versehen, hinter denen der sogenannte Wachtweg entlang des Walls verlief.
Die Carnot-Mauer, die die Feste Boyen umsäumt, besteht aus rotem Backstein (nur in kleinen Abschnitten im südwestlichen Teil wurden gelbe Ziegel verwendet) und steht auf einem hohen Steinsockel. Auf der Grabenseite erreicht sie eine Höhe von 8 Metern, während sie auf der Innenseite, an der Wachtgasse, nicht höher als 4 Meter ist. Im Zuge der gesamten Mauer, die die Festung umgibt, befinden sich etwa 900 Schießscharten, die so ausgestaltet sind, dass sie gleichzeitig die Gefährdung durch feindlichem Beschuss verringern. Insgesamt wurden für den Bau der Feste Boyen fast 16 Millionen Ziegelsteine und 33 000 Tonnen Löschkalk verwendet. Auf diese Weise haben die militärischen Investitionen der Entwicklung der Region, insbesondere der örtlichen Ziegeleien, einen unglaublichen Schub verliehen.
Die Carnot-Mauer wurde bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts als Befestigungsanlage genutzt, so dass sie zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung in der Feste Boyen bereits eher ein militärisches Relikt war.
Zwischen 1860 und 1914 erlebte die Feste mehrere Modernisierungen, die sich durch veränderte Umstände (z.B. der Bau einer Eisenbahnlinie zwischen der Festung und dem Löwentin-See führte dazu, dass das Wassertor und seine Verbindung mit dem Löwentinsee – Kanal nicht mehr brauchbar waren) und durch neue Anforderungen auf dem Schlachtfeld notwendig wurden – vor allem Veränderungen im Zusammenhang mit der Palette der gezogenen Rohrwaffen der Artillerie und dem Aufkommen von Haubitzen und Granaten von erhöhter Brisanz, und nach dem Ersten Weltkrieg auch durch die zunehmende Bedeutung von Luft- und Panzerwaffen.
Fotografien©W.M.Darski
REDUITE DER FESTUNG
Die Carnot-Mauer, die die beiden benachbarten Bastionen „Ludwig” und „Leopold” nach außen begrenzt, stellt modellhaft ein Vieleck dar, d. h. den Grundriss einer Festung, bei dem die einwärts verlängerten Seiten der Bastionen an den Schnittpunkten zusätzliche Verteidigungsanlagen in Form von Kaponnieren aufweisen, d. h. Befestigungen, die aus der Mauer vorspringen, um parallel zum Wassergrabens in beide Richtungen schießen zu können.
Der unterbrochene Teil der Carnot-Mauer, die so genannte „Zange”, der zwischen den beiden Bastionen nach vorne ragt, trennt die Kaponnieren der Bastionen „Ludwig“ und „Leopold“ voneinander. Es handelt sich dabei um paarig angelegte zweigeschossige, mit Innenhöfen versehene Gebäude in Form eines gerundeten V, die auf jeder Etage 7 Kampfräume enthalten. Die obere Etage war für Maschinenwaffen und Artilleriefeuer ausgelegt, während die untere Etage nur für Gewehrschützen vorgesehen war. Der Zugang zu den Höfen erfolgte über Schachtpoternen mit kaschierten Pulver- und Munitionsbunkern. Beide Kaponnieren wurden im Jahr 1848 gebaut.
Die Basteien „Ludwig” und „Leopold” sind zudem durch einen hohen inneren Wall vom Rest der Festung getrennt, und die einzige Verbindung ist eine Wallpoterne, die auf beiden Seiten durch schwere Holztore gesichert ist. Auf diese Weise entstand im obersten Teil der Feste Boyen eine so genannter Reduite, ein eigenständiges Element des gesamten Festungskomplexes, das im Falle eines feindlichen Angriffs auf die Festung als letzter Widerstandspunkt oder als Ort zur Vorbereitung eines Gegenangriffs diente.
Die Reduite der Feste Boyen besteht aus den Befestigungen der Bastionen „Ludwig” und „Leopold”, und ihr Zentrum ist durch den Bau einer dreistöckigen Kaserne gekennzeichnet. Diese Reduite – Kaserne ist eine Kopie der Kaserne im Hof des Lötzener-Tors, aber die Eckkellerräume auf der Seite der Poterne wurden angepasst, um die Einfahrt bestreichen zu können.
Im Festungshof befinden sich neben der Wallkaponniere und Kaserne auch zwei Infanterie-Notunterkünfte mit sechs Mannschaftsräumen und einem Sanitär-Wirtschaftsraum. Die Decken der Bunker sind mit einer Erdschicht bedeckt, und die Eingänge der Räume befinden sich auf der Wallseite, wodurch die Möglichkeit eines Beschusses minimiert wird.
An der Ecke der Bastion „Ludwig” befindet sich ein Notunterstand mit einem Beobachtungsposten, der zur Überwachung des Vorfelds und zur Leitung des Geschützfeuers diente. Seit 1893 war der Posten mit einer drehbaren Gruson-Kuppel vom Typ W.T. 90 ausgestattet, während auf dem höchsten Punkt der Reduite (147 m über dem Meeresspiegel und ca. 30 m über dem Niveau des Löwentin-Sees) in der Nähe des Lötzener-Tors 1913 ein Unterstand mit einem Periskop-Beobachtungsposten gebaut wurde, dank dessen die effizient artilleristische Feuerleitung der Feste Boyen den Feind in einem Radius von mehreren Kilometern blockieren konnte.
Fotografien©W.M.Darski
RASTENBURGERTOR
Zwischen den Bastionen „Leopold” und „Hermann” ist die Kurtine der Carnot-Mauer eingezogen, wodurch der Passage des Rastenburger Tors Raum gegeben wird. Es ist das zweitwichtigste Festungstor, das die Verbindung zwischen der Festung und dem westlichen Teil der Lötzener „Insel“ ermöglichte – eine potenzielle Marsch- und Rückzugsroute in Richtung Rastenburg – und seit 1868 auch mit dem Bahnhof Boyen, über den Nachschub und Ersatz zugeführt wurden.
Das Rastenburger Tor wurde 1848 erbaut und erhielt auf der Innenseite ein neugotisches Aussehen mit imitierten Fenstern des zweiten, nicht vorhandenen Stockwerks. Die Hauptpoterne des Rastenburger Tors war auf beiden Seiten mit schweren Holztoren gesichert und führte auswärts auf einen kleinen Ausfallhof, dessen äußerer Zugang mit einem Stahltor versperrt war. In der Poterne befanden sich zwei symmetrisch angeordnete Eingänge zu den Wachräumen, die mit Durchgängen zu den seitlichen Gwölbehallen ausgestattet waren, die das Tor und den Rest des Festungsbereichs mit dem Postenweg verbanden. Eine solche Anordnung ermöglichte es unter anderem, auf den Ausfallhof vor dem Tor zu schießen, falls die Stahltore vom Feind aufgebrochen wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein kleiner Kanal mit einer Zugbrücke, der vor der Front des Rastenburger Tors verlief, verfüllt.
Interessant ist die Anordnung im Vorfeld des Rastenburger Tors. Das Zurückweichen der Carnot-Mauer zu beiden Seiten des Tors ermöglichte es, das Vorfeld des Tor aus den Geschützstellungen der Bastionen „Leopold” und „Hermann” zu bestreichen. Gegenüber dem Rastenburger Tor hingegen waren symmetrisch zwei Ravelin-Halbkaponniere aufgestellt, die den Graben und das Glacis vor dem Tor zusätzlich deckten.
Die Halbkaponniere auf der Seite der Bastion „Leopold” ist ein einstöckiges Gebäude mit einem Pulver- und Munitionsmagazin. Die Halbkaponniere auf der Seite der Bastion „Hermann” hingegen wurde als zweigeschossiger Bau errichtet, wobei das Obergeschoss durch eine Holzdecke vom Erdgeschoss getrennt war.
Beide Bauwerke wurden 1852 errichtet und verloren bereits 1874 ihre Bedeutung als Verteidigungsanlagen, da sich Waffentechnik und militärische Taktik geändert hatten. Damals wurde die Holzdecke in zweiten Kaponniere entfernt, und der so entstandene hohe Raum wurde zu einer Festungskapelle umgebaut.
Im Rahmen der Modernisierung der Feste Boyen und ihrer Umgebung wurden zwischen 1913 und 1914 auf der Lötzener „Insel“ außerhalb der Festungsmauern 15 Bunker angelegt. Es handelte sich um 4 Infanterieunterstände, 4 Artilleriebunker, 3 Munitionsbunker und 4 Beobachtungsbunker mit Periskopstellung. Die meisten dieser Bunker wurden nach 1945 gesprengt, aber die Munitionsbunker neben dem Yachthafen des Polnischen Anglerverbandes am Großen Popówka-See sind intakt geblieben.
Am Lötzener Tor gabelt sich der Fuß- und Radweg – Sie können entlang der Mauern der Feste Boyen weitergehen oder in Richtung des Hügels und der St. Bruno-Straße fahren.
Fotografien©W.M.Darski
ARTILLERIE-SPERRFORT
Südlich des Rastenburger-Tors, innerhalb der Bastionen „Hermann“ und „Licht”, kann man ein bastionäres Modell von Mauer und Wall erkennen, das aus der Verbindung von zwei vorspringenden Festungspolygonen mit einer eingezogenen Kurtine besteht, die mit Artilleriegeschützen auf den Schultern der Bastionen gesichert ist.
Im Hof der Bastion Hermann befindet sich die dritte Festungskaserne und in der Senke daneben ein Infanterie-Notunterstand. Eine kleinere Notunterkunft befand sich in der Nähe der einen Flankenbatterie der Bastion. Das Hauptobjekt der Bastion „Licht” war jedoch, abgesehen von den beiden Notunterkünften und der Beobachtungsstellung, das Hauptpulver- und Munitionsmagazin der Feste Boyen.
Das ursprüngliche Pulvermagazin wurde hier 1852 errichtet. Infolge der Entwicklung der Artillerietechnik wurde das Lager 1884 mit einer zweiten Ziegelsteinschale bedeckt und mit einer „Kappe” aus Beton geschützt, die mit einer Erdschicht bedeckt war. Der riesige Raum mit gewölbter Decke ist über eine Poterne zugänglich, die in einem Winkel von 90 Grad steht. Der einst zweigeschossige Raum (die Etagen waren durch eine Holzdecke getrennt) konnte dank eines 40 cm hohen Abstands zwischen den Mauersteinlagen eine konstante Temperatur halten. Hier wurden Munitionsbestände gelagert, die dem Bedarf der Festungsartillerie für 14 Tage entsprachen, d.h. etwa 70.000 Granaten.
Wie der Name schon andeutet, war die Feste Boyen keine klassische Festung im Sinne einer großen Garnison, die einer langen Belagerung standhalten konnte, sondern lediglich eine Artillerie-Sperrfestung, deren Feuer den Vormarsch des Feindes über die Landenge der Lötzener Insel aufhalten konnte. Der größte Vorteil dieser Festung war daher ihre starke Artillerie.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Feste Boyen mit etwa 100 Stück der 12-cm-Kanone M 80 ausgestattet, die Granaten, Schrapnells und Kartätschen auf eine Entfernung von 8 km verschießen konnten. Diese Kanonen standen auf speziellen Keilbettungen, die der Rücklauf der Lafette mehr oder weniger stark bremsten. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs war dieser Kanonentyp bereits veraltet und wurde nur noch zur statischen Verteidigung eingesetzt, z. B. in der Feste Boyen. In den 1880er Jahren wurden jedoch die Feuerstellungen in den Artillerienstern innerhalb der Carnot-Mauer dem Einsatz von fünfläufigen Revolverkanonen des Kalibers 37 mm und später auch von dreiläufigen 47-mm-Kanonen des Typs Hotchkiss-Gruson angepasst. Sie wurden eingesetzt, um das unmittelbare Vorfeld der Festung zu beschießen und den Gegenwall und den Graben mit Feuer zu bestreichen. Große Vorteile dieser Kanonen waren ihre Feuergeschwindigkeit und ihre bequeme Montierung in einer Artilleriestellung auf einer Bettung oder einer Kasemattenlafette. In den Kreuzgewölben der Artilleriekeller der Bastionen „Hermann” und „Licht” sind unter den Schießscharten aus der Wand ragende Bolzen zur Lafettierung der Hotchkiss-Gruson-Kanonen erhalten geblieben.
Fotografien©W.M.Darski
WASSERTOR
Die Lage der Lötzener „Insel“ und der Feste Boyen zwischen den Großen Masurischen Seen boten nicht nur die Voraussetzungen ihrer Verteidigung, sondern nach Freigabe der masurischen Kanäle (die Bauarbeiten erfolgten parallel zum Bau der Festung) auch ein günstiges Kommunikations- und Transportsystem. Deshalb wurde 1853 nach Bauplan der Bastionen „Licht” und „Rechts” das Wassertor erbaut, das über den Kanal, der die Festung mit dem Löwentinsee verband, eine Transportlinie zur Versorgung der in der Nähe der Bastion gelegenen Wirtschaftsgebäude darstellte.
Der Planung entsprechend befand sich vor der Stirnseite des Wassertors ein Abschnitt eines nassen Grabens, der einzige dieser Art im Festungskomplex, der auf der äußeren Seite über einen Kanal vom Löwentinsee zu erreichen war, während sich auf der inneren Seite ein Binnenhafen befand. Wahrscheinlich wurden auf diesem Wasserweg Teile der Getreidespeicher des Vorwerks Lyck nach Demontage vom Teufelswerder im Spierdingsee nach Lötzen transportiert, wo sie auf dem Anger der Feste Boyen wieder aufgebaut wurden.
Der Kanal, der zum Wassertor und zum Binnenhafen der Festung führte, konnte von Kähnen mit einer Verdrängung bis zu 200 Tonnen befahren werden. Der Betrieb wurde 1868 eingestellt, weil eine Eisenbahnlinie entlang des Löwentinsee-Ufers gebaut wurde, die die weitere Nutzung des Kanals unmöglich machte.
Ursprünglich war der Bau einer Eisenbahnzugbrücke geplant gewesen, doch wurde dieses Vorhaben schließlich aufgegeben und der Kanal zugeschüttet. Der Wassergraben vor dem Wassertor wurde trockengelegt und vertieft, und die Torbögen wurden durch den Einbau von Stahltoren auf beiden Seiten erheblich verkleinert. Ein Fragment des Kanals blieb in Poterne des Tors als Schutzbecken erhalten, dessen Ränder mit einer Zugbrücke verbunden waren. Unter den neuen Bedingungen erreichten die Lieferungen das Wassertor mit der Schmalspurbahn vom Bahnhof Boyen in Wolfsee.
Die in die Festungsmauer integrierte Konstruktion des Wassertors ist mit dem Bäckereikomplex der Feste verbunden. Es handelt sich um einen Komplex von elf Tonnengewölben Räumen, von denen neun als Fluchtsystem miteinander verbunden sind.
In drei großen Öfen, von denen zwei erhalten geblieben sind, wurden täglich etwa tausend Einpfundbrote gebacken, und seit den zwanziger Jahren wurde auch die Stadt mit Brot versorgt.
Einige der Lagerräume der Bäckerei konnten auch zur Unterbringung von Rekruten im Falle einer Mobilmachung genutzt werden.
Der Bäckereikomplex bildet eine besondere Straße mit einem gegenüberliegenden, in den 1890er Jahren errichteten Bunker für eine Infanteriekompanie. Es handelt sich um ein Backsteingebäude mit einer Betondecke und einem Erdwall mit acht gleichen Räumen, die durch einen Fluchtkorridor in der Rückwand verbunden sind. Die Gebäude des Wassertors, der Bäckerei und des Infanteriebunkers waren mit dem Postenweg und den Geschützstellungen auf den Bastionsschultern über zwei Schachtpoternen verbunden, die auf beiden Seiten durch hölzerne Tore und zudem durch die Möglichkeit, den Durchlass mit in besonderen Aussparungen eingelassenen Balken zu blockieren, gesichert waren.
Fotografien©W.M.Darski
PULVERTOR
Das Pulvertor, gelegen zwischen den Bastionen „Rechts” und „Schwert”, wurde 1850 erbaut als Hilfseingang der Feste Boyen von der Stadtseite her; seine Hauptfunktion war die Versorgung der außerhalb der Festung kämpfenden Truppen mit Lebensmitteln und Munition. Es war von außen durch Stahltore und eine kleine, nicht mehr vorhandene Zugbrücke geschützt, zu deren Betätigung Kontergewichte dienten. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Tore und die Brücke entfernt und durch ein Festungsgitter ersetzt.
Die Traverse mit den Durchgängen zum Postenweg, einst durch Holztore geschützt, bildet einen Innenhof, von dem aus der Eingang zur Hauptpoterne des Walls führt. Vor der Außenfassade des Pulvertors befinden sich die Überreste eines Ravelins. Die dreieckige Form der Erdbefestigungsanlage ist heute nicht mehr zu erkennen, da auf ihr die Zuschauerränge eines Amphitheaters angelegt wurden. Allerdings sind zwei Ravelin-Halbkaponnieren beiderseits des Tors, die sich in der entgegengesetzten Richtung auf Höhe der Artilleriestellungen auf den Schultern der Bastion „Rechts” und der Bastion „Schwert” befinden, deutlich sichtbar.
Auf den Wällen in der Nähe des Pulvertors sind die Überreste von Geschützstellungen mit Munitionsbunkern deutlich erkennbar. Auf der gesamten Festungsmauer waren 88 solcher Stellungen eingerichtet. Auf der Spitze des Walls der Bastion „Schwert” befindet sich auch ein Artilleriebeobachtungsposten, der mit einer Panzerkuppel vom Typ WT Neu ausgestattet ist. Die Kuppel mit ihren vier Sehschlitzen, einer Panzerung von 230 mm und einem Gewicht von 9200 kg wurde in eine drei Meter dicke Betonschicht eingebettet. In Polen gibt es nur drei solcher Kuppeln – diese und zwei weitere in der Festung Posen.
Unweit des Pulvertors, innerhalb der Bastion „Rechts”, wurde 1868 ein Schießpulverlabor errichtet. Es besteht aus zehn Backsteinsälen mit Kreuzgewölben, von denen sieben durch Gänge miteinander verbunden sind.
Der Komplex der Räumlichkeiten des Labors hat einen bogenförmigen Grundriss und ist durch einen schmalen, ebenfalls bogenförmigen und oben offenen Gang vom steinernen Gegenstück getrennt.
Der offene Korridor des Labors ist an beiden Enden mit Poternen versehen. Das Pulverlabor wurde gebaut, um das so genannte Schwarzpulver herzustellen, das durch Mischen von Kaliumnitrat, Holzkohle und Schwefel im angemessenen Verhältnis dargestellt wurde. Da Schwarzpulver sehr feuchtigkeitsempfindlich war und nicht lange gelagert werden konnte, musste jede Festung über Anlagen verfügen, in denen es an Ort und Stelle hergestellt und zur Befüllung von Granaten verwendet wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Schwarzpulver durch das so genannte rauchlose Pulver ersetzt und das Pulverlabor wurde überflüssig. Es wurde in ein Munitionsdepot umgewandelt, und die Geschosse wurden mit Schmalspur-Draisinen transportiert. In den renovierten Räumen des ehemaligen Pulverlabors befindet sich heute eine Museumsausstellung über die Waffen der Feste Boyen.
Fotografien©W.M.Darski
ST. BRUNO HÜGEL
Der St. Bruno Hügel, einst Tafelberg genannt, war auf drei Seiten vom Wasser des Löwentin Sees umgeben. Dies änderte sich 1868, als auf der Ostseite des Hügels ein Damm gebaut wurde, auf dem die Eisenbahnlinie verlief.
Auf dem Hügel gefundene Fragmente frühmittelalterlicher Keramik deuten darauf hin, dass sich hier eine befestigte Siedlung befand, deren Wälle und Kulturschicht bei der Säuberung des Schussfelds der Feste Boyen abgeräumt wurden. Die Burg auf dem Tafelberg könnte mit Ysegups, dem legendären Herrscher des altprußischen Galinds in Verbindung gebracht werden, der in einer Chronik des ermländischen Kanonikers Johannes Plastwich (1400 – 1464) erwähnt wurde.
Die Erwähnung besagt, dass die ältesten Prußen aus dem Löwentinsee-Gebiet vor einer kirchlichen Kommission bezeugten, dass sich in Richtung Litauen eine halbe Meile vor der Burg Leiczen, am Löwentin-See, ein Sitz des galindischen „Großkönigs” befand. Wenn man davon ausgeht, dass die erste Deutschordensburg auf der Landenge zwischen den Seen Kissain und Löwentin in der Nähe des Schönenberges errichtet wurde, würden sowohl die Entfernung als auch die Richtung auf den Tafelberg als Sitz des legendären Herrschers hinweisen.
Dieser Denkansatz wurde wahrscheinlich von dem deutschen Theologen und Kirchenhistoriker Heinrich Gisbert Voigt (1860 – 1933) übernommen, der die Figur des Ysegups zusätzlich (wenn auch ohne historische Grundlage) mit der Christianisierungsmission in Verbindung brachte, die der Biograph des heiligen Adalbert und Freund des Königs Boleslaw I. des Tapferen, Bischof Bruno von Querfurt, unter den Prußen durchführte. Diese Mission endete am 14. Februar oder 9. März 1009 mit dem tragischen Märtyrertod des Heiligen Bruno und seiner 18 Gefährten durch die Prußen.
Auf der Grundlage der Erkenntnisse Heinrich Voigts errichtete die evangelische Gemeinde von Lötzen an der Stelle, wo der Missionar angeblich auf dem Tafelberg gestorben war, ein Denkmal in Form eines gusseisernen Kreuzes, eine getreue Kopie des Denkmals samländischen Dorf Tenkitten (heute Letnoye in der russischen Oblast Kaliningrad) ebenfalls angeblicher Ort eines Martyriums, und zwar des Heiligen Adalbert. Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 30. Oktober 1910 statt. Die deutschsprachige Originaltafel des Bruno-Kreuzes ist derzeit in der Evangelisch-lutheranischen Kirche in Lötzen zu sehen.
Am tausendsten Jahrestag des Martyriums des Heiligen Bruno, dem 20. und 21. Juni 2009, fanden auf dem Hügel die wichtigsten Millenniumsfeiern statt, an denen Pilger aus Polen, Deutschland, Litauen, Weißrussland, der Ukraine und Russland teilnahmen. Der päpstliche Legat und Primas von Polen, Kardinal Jozef Glemp, zelebrierte einen ökumenischen Gottesdienst, an dem die höchsten katholischen, protestantischen, orthodoxen und griechisch-katholischen Hierarchen teilnahmen, und Papst Benedikt XVI. übermittelte Grüße.
An das Martyrium des Heiligen Bruno vor einem Jahrtausend erinnert ein Marmordenkmal in Form eines Kenotaphs, das 2010 vor dem historischen Kreuz errichtet wurde.
Fotografien©W.M.Darski
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